Foto: CharlesFred (Quelle: Flickr.com). Dieses Foto steht unter einer Creative Commons Lizenz.
Teaserfoto: ocean.flynn (Quelle: Flickr.com). Dieses Foto steht unter einer Creative Commons Lizenz.
Das Internet ist in den meisten Orten Afrikas, an denen es keine beständige Stromzufuhr oder Telefonleitungen gibt, ein Elitemedium. Oft wird daher die Bedeutung dieses Mediums für den Kontinent verkannt. Denn trotz der bestehenden digitalen Gräben, vor allem zwischen ländlichen und städtischen Gebieten, spielt die Internet-basierte Kommunikation und Informationsverbreitung eine zunehmend wichtige Rolle.
Während in Europa das 1-Gerät-pro-Nutzer Modell und PC-basierte Internetzugänge dominieren, haben sich in Afrika andere Nutzungsformen als erfolgreiche Wege erwiesen, um mehr Menschen den Anschluss an das Internet zu ermöglichen. Öffentliche Zugänge, z.B. in Internetcafés, spielen in den meisten afrikanischen Städten eine zentrale Rolle. Zudem werden internationale Bestrebungen, Afrika an internationale Glasfasernetzwerke anzuschließen, in den nächsten Jahren zu einer Kostensenkung und Verbreitung von schnellen, günstigeren Internetanschlüssen beitragen. Afrikas Internetwachstumsrate liegt laut Angaben der International Telecommunications Union (ITU) mit 30 Prozent mehr als 13 Prozent über dem weltweiten Durchschnitt.
Aufgrund der unvergleichbar rasanten Verbreitung von Mobilfunk wird auch mobile Internetnutzung immer bedeutsamer. Während der Ausbau von Festnetzanschlüssen mit einem Wachstum von 2,4 Prozent stagniert, verzeichnete die ITU Ende 2008 eine Wachstumsrate von Mobilfunknutzern von 47 Prozent in Afrika - die stärkste Wachstumsrate weltweit - und zählte 246 Millionen Mobilfunkkunden in Afrika, mehr als ein Viertel der gesamten Bevölkerung.
Nicht zuletzt der Launch von Facebook in Swahili beweist, Afrika ist Teil der Internet-Community - auch wenn nach wie vor nur eine Minderheit der Bevölkerung Zugang hat. Beispiele aus verschiedenen Ländern Afrikas zeigen, wie Web 2.0- und Mobilfunktechnologien - insbesondere Blogs, soziale Netzwerkdienste, SMS oder Mikroblogging-Dienste -, auch für politische und entwicklungsrelevante Verbreitung von Information und zur Mobilisierung genutzt werden.
Ein Überblick der Bloglandschaft
Der afrikanische Blogaggregator Afrigator bietet einen guten Überblick über die afrikanische Bloglandschaft. Im März 2010 listet Afrigator 13.267 afrikanische Blogs. Die Verteilung der Blogs verdeutlicht auch die geographischen Disparitäten der Zugänglichkeit erschwinglicher Internetverbindungen. Weit führend mit 8.419 indizierten Blogs ist Südafrika, gefolgt von Nigeria (1.299) und Kenia (692). Die vierten und fünften Plätze belegen Ägypten (370) und Ghana (215). Weitere 878 Blogs werden als nicht-länderspezifisch klassifiziert. Während in einigen Ländern Blogger-Communities sehr eng vernetzt sind und zusammen arbeiten, mangelt es insgesamt an Vernetzung innerhalb der afrikanischen Blogosphäre, insbesondere zwischen frankophonen und anglophonen Bloggern.
Afrigator erstellte im Juli 2009 ein Ranking der „Top 20 Female African Bloggers“. Die Top 5 Blogs von Frauen spiegeln nicht nur die geographische Verteilung, sondern auch die thematische Bandbreite afrikanischer Blogs wider: Vom Einblick ins Privatleben einer weißen Südafrikanerin über den Blog „So Close“ und dem Blog „Cape Town Daily Photo“, der bildhafte Eindrücke vom Leben in Kapstadt bietet, bis hin zu Blogs die gesellschaftliche und politische Blogs adressieren wie „Urban Sprout“ und „BlackLooks“.
Die Themen der afrikanischen Blogosphäre sind also weit gefächert, oder um es mit dem Worten von der Bloggerin Sokari Ekine, die das Blog „BlackLooks“ betreibt, zu sagen:
„Go out and look at the African blogosphere and be amazed – we have arts and literature and fashion and politics as everyone else does and there is a vibrant, dynamic scene blogging on all these different topics“
Führend auf der Agenda aktueller Themen ist natürlich die bevorstehende FIFA Fußball Weltmeisterschaft in Südafrika. Blogbeiträge berichten über nationalen Fußballstolz, Vorfreude, Fußballstatistiken und Wettgemeinschaften. Sie adressieren aber auch politische Themen wie Evakuierungen wegen der vorbereitenden Bauarbeiten und damit zusammenhängende Proteste, sowie dem Outsourcen der Souvenirproduktion nach China.
Neue Stimmen und neue Perspektiven – Blogs und Bürgerjournalismus in Afrika
Die politische Bedeutung von Blogs in Afrika wächst. Im Sinne des partizipativen Bürgerjournalismus bemühen sich eine Vielzahl engagierter Blogger über bestimmte Themen oder lokale Verhältnisse zu berichten. Ebenso finden sich zunehmend Beispiele, wie Bürger in die Sammlung von Informationen und Berichterstattung mit einbezogen werden.
In der stark segregierten Gemeinde von Grahamstown, einer Stadt in der Kap-Region Südafrikas, hat die lokale Zeitung, Grocott's Mail, ein Bürgerjournalismus Projekt gestartet. Ziel ist es ihre Nachrichten über neue Medienkanäle zu verteilen um auch Menschen, die in Townships und ärmeren Verhältnissen leben, gleichberechtigten Zugang zu Nachrichten zu bieten und sie in die Berichterstattung mit einzubeziehen. In einem Citizens Journalism Newsroom finden Trainings für Bürgerjournalisten statt und Engagierte können hier recherchieren und schreiben. Die Zeitung verteilt ihre Nachrichten auf Wunsch per SMS und bindet auch per SMS gesendete Meldungen von Bürgern in ihrem Web und Printangebot ein. So zum Beispiel auch im Rahmen des Projekts „Makana Clean Up“ in dem Bürger über mangelnde Müllentsorgung berichten. Vor kurzem wurde auch eine mit bürgerjournalistischen Inhalten produzierte Community-Radiosendung gestartet.
Durch Projekte wie diese bekommen Bürger eine Gelegenheit auf Themen und Missstände die sie beschäftigen aufmerksam zu machen. Diese neuen Medien ermöglichen, dass Menschen, deren Ansichten bislang wenig Beachtung fanden, ihre Geschichte selber erzählen können. Auch Themen die in herkömmlichen Medien Tabu sind, werden in Blogs und anderen Internetmedien adressiert, wie z.B. die von „Gay Rights Uganda“, deren Ziel es ist es gegen die Unterdrückung und Diskriminierung von Homo-, Bi- und Transsexuelle vorzugehen.
Organisationen wie "Global Voices", ein Gemeinschaftsprojekt von über 200 ehrenamtlich arbeitenden Bloggern, fördern diese Art der Mediennutzung. Ein Beispiel hierfür sind Micro-Projekte wie die Global Voices Initiative „RisingVoices“, die Blogger aus Ländern fördert, in denen noch wenige Bürger am Internet teilhaben. Zu ihren aktuellen „RisingVoices“ Projekten gehören:
- „FOKO“ – ein Blogprojekt einer NGO in Madagaskar, die sich zum Ziel gesetzt hat, ein lebensnahes Bild der Menschen aus Madagaskar darzustellen, um Klischees und Informationsmangel zu bekämpfen und durch Bildungsangebote lokale Medienkompetenzen aufzubauen.
- „Ceasfire Liberia“ – ein Projekt in dem Partner aus West-Afrika und den USA, Brücken zwischen den in der Diaspora und in Afrika lebenden Liberianern bauen wollen.
- „AIDS Rights Congo“ – eine Blogplattform auf der Community Workers aus verschiedenen Regionen im Congo darüber Berichten wie AIDS ihre Gemeinde verändert.
Durch Blogprojekte, wie diese drei von RisingVoices geförderten, entsteht ein persönliches, ein politisches und vor allem ein detailreicheres Bild als das, welches traditionelle Medien, vor allem in der internationalen Afrika-Berichterstattung, zeichnen. Der digitale Bürgerjournalismus in Afrika gilt daher als zunehmend wichtigere Größe bei der medialen Selbstdarstellung, der Verbreitung von aktuellen Informationen und als Plattform für sozial-politische Diskurse.
Politische Nutzung von Bürgerjournalismus
Ein Beispiel für die Nutzung von Internetmedien zur politischen Bildung ist die Plattform African Elections. Ziel der Plattform ist es länderspezifische Informationen und Training für Journalisten und Bürger anzubieten, um ihnen die Nutzung von IKT-Tools zur Berichterstattung und Wahlbeobachtung zu ermöglichen. Das Projekt wird von dem International Institute for ICT Journalism zusammen mit verschiedenen Partnern durchgeführt und von der Open Society Initiative for West Africa gefördert.
Auch Bürgerkampagnen entdecken die Möglichkeiten zur Informationsverbreitung durch das Internet: Die Kampagne „Light up Nigeria“ wurde zum Protest gegen unzuverlässige und teure Stromversorgung gestartet. Soziale Medien wie Facebook, Twitter und Blogs werden genutzt, um Unterstützer zu werben und Aufmerksamkeit zu erringen. Dabei ist die Kombination zwischen traditionellen (z.B. das Radio) und neuen Medien wichtig wenn möglichst viele Menschen erreicht werden sollen, unterstreicht Mitbegründerin der Kampange Sokari Ekine:
„Whenever we have a campaign [...] it may start in the digital sphere but can diffuse offline, through flyers and radio and start mass mobilisation on the ground. Mobile phones have a critical role to play here. The blogosphere interacting and integrating itself strongly with other media and forms of communication is the next important step beginning to take place“
So werden soziale Medien, Micro-Blogging Dienste und Blogs zu Tools für Protestaktionen und Mobilisierung. Auch in Ländern, in denen Bürgerrechte eingeschränkt sind, werden so neue Kanäle eröffnet. Das Beispiel der politischen Blogger in Kenia 2008 während und nach den Wahlen, zeigt, wie die Nutzung von Internetmedien wie Blogs und SMS-basierten Informationsdiensten zur kritischen Berichterstattung eine große Rolle spielt, wenn herkömmliche Medien ihre Rolle als unabhängige Berichterstatter nicht ausüben. Während der Staat eine Nachrichtensperre über Print- und Rundfunk verhängte, berichteten Blogger über aktuelle Ereignisse.
Zwischen Freiheit und Kontrolle
Aufgrund mangelnder Aufmerksamkeit seitens staatlicher Akteure können in vielen Ländern Blogger freier ihre Meinung äußern als in traditionellen Medien. In anderen Ländern, wie z.B. Nigeria und Ägypten, versuchen Regierungen der Einflussskraft kritischer Blogger entgegenzuwirken. Die Berichte über Repressalien und Verhaftungen nehmen zu.
Einen globalen Überblick der Repressalien gegen Blogger bietet das Global Voices Projekt „Threatened Voices“, ein gemeinschaftliches Projekt zur Kartographierung von Verhaftungen, Ermordungen, juristischen Schritten oder Bedrohungen von Bloggern sowie Informationen über Kampagnen zu ihrer Unterstützung. Bei Betrachtung der Weltkarte auf der Homepage von Threatened Voices fallen vor allem die nordafrikanischen Länder Tunesien und Ägypten auf. Hier sind - hinter China und Iran - die meisten Vorälle (19 und 30)bekannt.
Noch haben Blogger in Afrika nicht so viel Aufmerksamkeit errungen wie im Nahen Osten und Asien. Es bleibt zu hoffen, dass statt zukünftiger Berichte über Zensur und Repression eher die positiven Schlagzeilen zur Entwicklung der Afrikanischen Medienlandschaft überwiegen.
Geraldine de Bastion arbeitet seit 2008 bei newthinking communications GmbH und leitet Projekte im Bereich Politik-, Medienberatung und internationale Zusammenarbeit. Schwerpunkte ihrer Arbeit sind derzeit Open Source Technologien für Entwicklung sowie politische und wirtschaftliche Nutzung sozialer Medien und Blogs. Durch ihre jahrelange Erfahrung in der staatlichen Entwicklungszusammenarbeit, gilt ihr besonderes Interesse der Wirkung von IKT und neuen Medien und Afrika und Asien.
Dieser Text steht unter einer Creative Commons Lizenz.